Claudia Puhlfürst - Rachegöttin by Claudia Puhlfürst - Rachegöttin

Claudia Puhlfürst - Rachegöttin by Claudia Puhlfürst - Rachegöttin

Autor:Claudia Puhlfürst - Rachegöttin [Puhlfürst, Claudia]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783955301750
Herausgeber: Edel Germany GmbH, Hamburg
veröffentlicht: 2015-05-09T16:00:00+00:00


40

Heidelinde Friedrich ließ den Blick unauffällig über die Jacke ihrer Namensvetterin gleiten. Der genoppte Stoff fiel in lässigen Wellen bis über die Hüften. Das metallische Rot des Schals schien sein Schwarzgrau zu verstärken. Die Jacke sah teuer aus. Auch die halbhohen Stiefel waren sicher nicht von Deichmann oder Reno.

»Dann sehen wir uns morgen früh.« Angela Friedrich streckte die Hand aus und ihre Kollegin beeilte sich, den Blick zu erwidern. »Genau. Ich komme gegen acht.«

»Ich auch so ungefähr. Also – machs gut, Heide, ich muss los.« Beide Frauen lösten ihre Hände gleichzeitig.

Der Saum der neuen Jacke wippte bei jedem Schritt hin- und her. Das Klackern der Stiefel entfernte sich und Heidelinde Friedrich drehte sich um, um in ihr Zimmer zurückzukehren. Sie würde jetzt den Schreibtisch aufräumen und dann auch verschwinden.

Mit beunruhigendem Ruckeln schaukelte sich der Fahrstuhl in Richtung Erdgeschoss. Die Wände waren mit ordinären Ausdrücken bekritzelt. Es schien ein Kampf ohne positiven Ausgang. Kaum hatte der Hausmeister die Schmiererei entfernt, tauchten schon bald neue Inschriften ähnlichen Inhalts auf. Die Kunden des Arbeitsamtes machten ihrem Unmut Luft, indem sie das Gebäude beschädigten.

Angela Friedrich hatte auch keine Ahnung, wem eigentlich die Schuld an der ganzen Misere zuzuschreiben sei. Ihr jedenfalls nicht. Sie konnte nichts dafür, dass es keine passende Arbeit für all die armen Arbeitslosen gab, die täglich das Amt aufsuchten. Manchmal taten ihr die Leute leid, die da vor ihr am Schreibtisch saßen und sich mit vierzig schon nutzlos fühlten. Manche erweckten aber auch den Eindruck, dass es ihnen lieber sei, nicht zu arbeiten. Sie wollten Geld vom Amt und nichts dafür tun. Bloß keine anstrengende Arbeit! Sie gaben an, dafür nicht qualifiziert zu sein, bewarben sich mit unvollständigen Unterlagen oder erschienen gar nicht erst zum Vorstellungsgespräch. Wenn gar nichts anderes mehr half, ließen sich die Simulanten krankschreiben. Aber für solch renitente Kunden hatten die Sachbearbeiter verschiedene Regressmöglichkeiten.

Ein letzter Ruck und der Aufzug stand. Unwirsch quietschten die Türen auseinander. Die Frau in der grauen Jacke schob die Enden ihres Schals tiefer in den Ausschnitt und schaute dabei nach unten. Das abgetretene, rissige Linoleum wellte sich schon. An den Scheuerleisten sammelte sich der Schmutz. Nicht, dass sie die Arbeitssuchenden ungerecht behandelte, andere Kollegen mochten so etwas ab und zu tun, aber nicht Angela Friedrich. Ihr bereitete es keine Genugtuung, faulen Kunden eins auszuwischen, indem man sie früh zeitig ins Amt bestellte, ihnen Maßnahmen zuwies oder im Verweigerungsfall das Geld kürzte. Dazu gab es strenge Gesetze, und an die hielt sie sich. Manchen Leuten musste man schon ab und zu zeigen, wer hier das Sagen hatte, aber immer im Rahmen der Vorschriften.

Sie schüttelte den Kopf, stieß die Tür auf und trat in den glasummantelten Vorraum. Der ganze mächtige Betonklotz war eine einzige Bruchbude. Ein hässlicher Zehngeschosser aus der Neubau-Ära der DDR. Das Ambiente passte wunderbar zu den hier stattfindenden Aktivitäten, gerade richtig, um das Elend zu verwalten.

Angela Friedrich trat auf den Treppenabsatz und hob das Kinn.

Der Himmel hatte die Farbe depressiven Aluminiums. Es wurde schon dunkel. Sie tastete in ihrer Jackentasche nach dem Autoschlüssel und lief los.



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